Das Mehr der Traurigkeit

Posted by Hombre on August 01, 2020
Allgemein

The new OrderMäka Mäika Greta Gänn. Man kann es nicht mehr hören. Jeder zweite Satz von Donald Trump endet so. Er scheint das jetzt durchziehen zu wollen, aber vorgestellt, es funktioniert und in zwei Jahren ist das Außenhandelsdefizit Amerikas ausgeglichen, die Arbeitslosenquote gleich Null, alles wunderbar. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass dieser „Leader of the First Order“ dann sagt: „O.k., it works, let’s relax“ ? Nein, er wird sagen „This is just the beginning of a wonderful story, so great, so wonderful, never told. Let’s go ahead, let’s fuck them all, let’s make Amerika great again“ (One Ring to rule them all).

Vor 40 Jahren war ein Bankdirektor ein ehrbarer Beruf, ein Bankier nahm das Geld seiner Kunden in Verwahrung, in der Aufgabe, es je nach Anforderung des Kunden zu sichern oder zu vermehren, mit Garantie oder auch, wenn vereinbart, Risiken einzugehen, bei mehr Rendite. Ende der 2000-Jahre verkündete Josef Ackermann von der Deutschen Bank, eine Eigenkapitalrendite von 25 % sei die letztendliche Fackel alles menschlichen Strebens, alles andere sei Kinderkram. Danach agiert die Deutsche Bank wie auf Trip, manipulierte Leitzinsen und Edelmetallkurse, schwätzte Kommunen Beteiligungen an Wasserquellen im Nord-Idaho oder den Verkauf ihrer Wasserwerke zur anschließenden Rückmietung an Investoren auf, verkaufte Rentnern zur Alterssicherung Future-Debs auf Result-Independent Square-Rebubs, Dinge, die es wahrscheinlich gar nicht gibt.

Heute bettelt die deutsche Bank um ihre Kunden, eine Anzeige: „Unser Ziel ist eine Deutsche Bank, der ihre Kunden vertrauen.“. Neues Vertrauen heißt in diesem Umfeld aber nur: „Wir wollen mehr Geld“, und zwar euer Geld. Und zwar Alles.

Vor 70 Jahren war der DFB ein ganz kleiner Verbund, man traf sich in einer Baracke auf der grünen Wiese. Impuls war, allen fußballspielenden Menschen eine Heimstatt zu geben, 1,25 Mark hatte jeder registrierte Spieler dafür pro Jahr zu begleichen, 23,75 Mark jeder registrierte Verein. Im Gegenzug organisierte der DFB die Spiele über die gesamte Republik hinweg, erfragte die Ergebnisse, führte die Tabellen und kürte letztendlich den deutschen Meister. Und es gab schöne, spannende Spiele.

70 Jahre später hat der DFB den Spielbetrieb total zerfleddert, die Spiele laufen von Freitags bis Sonntags. Mit dem Argument, den „Mehrwert der Marke Bundesliga“ weiter entwickeln zu wollen, begründet der DFB diese Entscheidungen. „Mehrwert“ heißt in diesem Umfeld aber immer nur: „Wir wollen mehr Geld“, und zwar euer Geld. Und zwar Alles. Mit der FIFA unterstützt der DFB die Aufstockung der WM-Teilnehmer auf 48 Nationen, die Begründung, siehe oben, „Mehrwert“. Wer sich zum Beispiel an das WM-Finale 1986 erinnert, weiß jetzt nicht, was mit dem Begriff Mehrwert gemeint sein soll. Vielleicht ein schärferes Bild, besserer Ton ?

Im Börsensprech: „Die Qualität des Wachstums gibt Anlass zur Sorge“. Heute läuft ja alles über die Börse, aber wie läuft es denn da ? Nehmen wir an, Bayern München schlägt Borussia Dortmund 2:0. Alle sagen „geil, super Sieg“, alles auf grün. Dann, ein halbes Jahr später, Bayern München gegen Borussia Dortmund, 4:0, die Kommentatoren überschlagen sich, „beeindruckenste Performance des Jahres“ urteilen sie, da geht was. Und dann, ein halbes Jahr später, wieder Bayern München gegen Borussia Dortmund, das Ergebnis 2:0. Die Analysten sind sich einig, das geht gar nicht, „negatives Wachstum“, allein schon das Wort.

Und jetzt am Ende, wo soll das enden? Weil wir damit nicht klarkommen, haben wir uns etwas ausgedacht. Alles wird mit einer Zahl bewertet, die Zahl Geld. Diese Zahl können wir anderswo bzw. überall gegen Anderes eintauschen. Eine geniale Idee, aber die Zahl, hier vielleicht Dollar, hat sich selbständig gemacht. Sie ist zum Inhalt, zum Wert an sich geworden. Es geht nicht mehr darum, diesen Zähler als Tausch gegen anderes zu benutzen, sondern ihn zu haben, zu behalten, nein, zu vermehren. Tauschen, bin ich blöd, gegen was ? Prince ist gestorben und er hat 400 Millionen Dollar hinterlassen. Am Ende dann vertauscht kann man sagen, eigentlich muß man ja zu Null rausgehen. In der Spielbank nehme ich die restlichen Chips ja auch nicht mit. Und außerdem, wenn er nun 401 Millionen Dollar hinterlassen hätte ? Und dann ? Und 401 Millionen Dollar tauschen gegen was ?

Unser innerer Kompass ist uns abhanden gekommen, wir wissen nicht mehr, was wir denken, was wir fühlen, was wir schätzen sollen. Zu allem brauchen wir eine Bewertung, ein Rating, eine Empfehlung. Darum verkaufen sich auch Bewertungs-, Rating- und Empfehlungs-Plattformen so gut. Jeder bewegt sich in sicheren Bahnen, keiner weiß mehr, wie es sich anfühlt, wenn man mal komplett anders gefühlt, anders gedacht, anders gehandelt hat. So wie man selbst. Wenn alles auf des Messer’s Schneide stand und dann doch funktionierte. Groß. Das ist Leben. Auf Messer’s Schneide.

In der 1879 aufgestellten Schindluderschen Vermutung formulierte der Mathematiker Alois Hemblbronner die Annahme, dass ewiges Wachstum relativ sei. Aber vielleicht wächst da ja gar nichts mehr, sondern all die anderen Dinge werden nur noch immer kleiner.


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